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DIE PERFEKTE
Thomas
Jahn
Orte und Zeiten tempi e luoghi
Norma Enns, Sopran; Ensemble L'art pour L'art
Col legno/Polydor 429 355 2 (54:56) DDD
Interpretation: 10
Klangqualität: 10
Repertoirewert: 10
Tonmeister: Wolfgang Eller Produzent: Thomas Jahn
In seinem
an Peter Gast gerichteten Gedicht "Musik des Südens" hat Friedrich
Nietzsche mit der Sehnsucht "nach südlichen Geländen, glücksel'gen
Inseln" ein Thema angeschlagen, das für die deutsche Geistesgeschichte
konstitutiv ist. Dieser "Wille zum Süden", wie ihn Ernst Bertram
in seinem Nietzsche-Buch dingfest machte und Gottfried Benn zum "Südkomplex"
der Deutschen verkürzte, ist ja nichts anderes als die Auflösung
des von Winckelmann stammenden Bilds von edler Einfalt und stiller Größe,
das die Antike Interpreten des Idealismus geprägt hatte. In der Bewußtwerdung
eigener Defizite des Nordmenschen wurde dieser Südkomplex im Zeitalter
des Nihilismus zur Einsicht, daß "nur als ästhetisches Phänomen
das Dasein und die Welt ewig gerechtfertigt" sei (Nietzsche).
Das ist nicht der Südkomplex, der für jedermann zu einem Häuschen
in der Toskana führt, sondern zu jener Idealik der Kunstarbeit, wie sie
Hanswerner Henze in seinem "Cantiere" zu Montepulciano zu verwirklichen
suchte (was den Genuß des dortigen Vino nobile ja nicht ausschließt
im Gegenteil).
Aus der Zusammenarbeit mit Henze und Montepulciano ist Thomas Jahns Liederzyklus
für vier Instrumentalisten (auch der Sopran wird als Instrument bezeichnet)
entstanden: eine um Pro und Epilog bereicherte siebenteilige Folge von Klang
Gedichten, in denen die Nord Süd Spannung thematisiert wird. Musikalisch
reicht das von der Abstraktion eines Mundharmonikaklangs zum Zikadengeräusch
bis zur Nachahmung von Krähen.
Das Ganze ist mit soviel gedanklicher und
artistischer Sorgfalt umgesetzt auch bezüglich
der Übereinanderschichtungen des Playback-
Aufnahmeverfahrens , daß der Komplex zu
einer phantastischen Klangreise wird..
Doch nicht zur Flucht, denn Auschwitz wird
nicht verdrängt.. Da die Beilage das Verständnis
wesentlich erleichtert, ist die Klangreise wirklich
komplex.
Stereoplay, Ulrich Schreiber